Laut einer Kalkulation aus dem Jahre 2015 rechnet die UNO für das Jahr 2050 mit einem globalen Bevölkerungsanstieg von heute ca. 7,3 Milliarden auf dann etwa 9,7 Milliarden Menschen. Heutige Energieressourcen werden nicht ausreichen, um den Energie- und Nahrungsmittelhunger der wachsenden Menschheit ausreichend stillen zu können. Aus diesem Grund rückt die Suche nach alternativen Energieformen immer weiter in das Zentrum des Interesses der Forschung. Erfolgversprechend scheint die Nutzung von Algen zu sein. Einige Algenarten sind in der Lage, sich sehr schnell zu vermehren. Werden sie kultiviert, erzielen sie im Hinblick auf die hierfür benötigte Landfläche einen höheren Ertrag als herkömmliche Landpflanzen. Algen sind reich an Nährstoffen, manche Arten sind sogar in der Lage, erdölähnliche Substanzen zu produzieren. Auch ihre Fotosynthese kann im Kampf gegen die Erderwärmung genutzt werden. Heutzutage werden von den geschätzten 400.000 Algenarten bereits ca. 160 industriell verarbeitet – auf vielfältigste Weise.
Klassifizierung von Algen
Unter Wissenschaftlern herrscht Uneinigkeit, wie genau Algen zu klassifizieren sind. Zu groß sind ihre Unterschiede in Strukturen, biochemischen Vorgängen, Pigmentmustern und chemischen Zusammensetzungen. Es kommt immer wieder vor, dass genetische Analysen alte systematische Einordnungen widerlegen. Grundsätzlich sind Algen wegen des Chlorophylls grün. Durch verschiedene Arten von Chlorophyll-Molekülen sind sie aber in der Lage, verschiedene Frequenzbereiche des Lichts zu absorbieren. Dies führt dazu, dass es neben Braun-, Rot- und Grünalgen auch blaugrüne Algen gibt. Viele Algen sind mikroskopisch klein. Trotzdem existieren sie in solchen Mengen, dass jedes Jahr Milliarden Tonnen von ihnen in den Weltmeeren wachsen. Damit übernehmen Algen eine wichtige Funktion für unser Weltklima. Durch Fotosynthese stellen sie nicht nur Sauerstoff her, sondern binden zusätzlich das Treibhausgas CO2. Aber nicht nur für das Klima spielen Algen eine wichtige Rolle. Sie dienen ebenso als Nahrungsmittel für Krebse, Fische und Wale.
Geschichte der Algennutzung
Bereits um 2500 vor Christus wurden in China erste Berichte verfasst über den Verzehr von Algen. Japan und Korea waren die ersten Länder, die später den Gebrauch von Algen als Lebensmittel übernahmen. Um 1670 begannen die Japaner erstmals damit, Algen gezielt in Aquakulturen zu züchten. In Europa wurden Algen zunächst nur zu medizinischen Zwecken eingesetzt. Bei den Griechen beispielsweise dienten sie als Wurmmittel. Im 16. Jahrhundert entdeckte man die Möglichkeit, Algen als Düngemittel zu nutzen. An Land liegende Algen wurden gesammelt und dann auf die Felder gestreut. Dass sie auch für den Menschen zum Verzehr geeignet sein können, etablierte sich in Europa im 12. Jahrhundert. Aus dieser Zeit sind Aufzeichnungen aus Irland bekannt, in denen über das Sammeln und Verzehren von Algen berichtet wurde. Ab dem 18. Jahrhundert begann man, Algen auf unterschiedlichste Weise zu nutzen. Sie fanden zunächst als Bestandteil zur Glas- und Schießpulverherstellung Verwendung, später auch in der Nahrungsmittel- und Kosmetikindustrie.
Algen als Lebensmittel
In Ostasien stehen Algen bereits seit Jahrtausenden auf dem Speiseplan. In Japan gelten ca. 21 Algenarten als zum Verzehr geeignet, bei uns hingegen werden nur sechs Sorten als Lebensmittel verwendet. Dabei werden Grünalgen, Blaualgen, Rotalgen, Blaualgen und blaugrüne Algen am häufigsten verspeist. Ob als Sushi, Nahrungsergänzungen oder Zusatz in verarbeiteten Lebensmitteln, Algen haben es in sich. Sie sind reich an Mineralstoffen wie Calcium, Jod, Eisen, Phosphor, Magnesium, Kalium- und Natriumsalzen. Auch Vitamin A und einige B-Vitamine sind in Algen enthalten. Zusätzlich machen Kohlehydrate, Proteine, Aminosäuren und Fette Algen zu einem wertvollen Nahrungsmittel. Um den Tagesbedarf an Kalium, Calcium, Vitamin A, B2, B12 und C, Magnesium sowie Natrium zu decken, reicht der Verzehr von lediglich 100 Gramm essbarer Algen aus. Da sie allerdings auch über einen hohen Anteil an unlöslichen Ballaststoffen verfügen, sollte man nicht zu große Mengen an Algen verzehren, um Darmprobleme zu vermeiden.
Algen in der Kosmetik
Die Kosmetikindustrie hat längst begonnen, Algen für Pflegeprodukte zu nutzen. Etwa 50 Algenarten werden allein in der Hautpflege eingesetzt. Die Grundstruktur von Algen und menschlichem Blutplasma weisen ähnliche Merkmale auf. Dies macht sich die Industrie zunutze, indem sie beispielsweise Wirkstoffe aus kosmetischen Mischungen mit Hilfe von Algen in tiefere Zellen transportieren lässt. Auch das in Algen enthaltene Provitamin A wird als Radikalfänger eingesetzt, um die Haut gegen aggressive UV-B Sonneneinstrahlung zu schützen. Forscher entdeckten ein Algenenzym, das sich in die natürliche Zellreparatur der Haut einklinkt und hilft, Defekte im Zellkern zu beheben. Deshalb üben Algen einen straffenden und stoffwechselanregenden Effekt auf die Haut aus. Häufig werden beispielsweise Algenpackungen gegen Cellulite empfohlen und Frischalgen-Extrakte zur Straffung der Gesichtshaut eingesetzt. Anti-Aging-Pflegeprodukte enthalten Algen genauso wie intensive Aufbaucremes für den Körper. Die Palette an Einsatzmöglichkeiten ist groß.
Algen als Treibstoff
Einst als große Errungenschaft gefeiert, genießt Bio-Sprit in seiner heutigen Form kein gutes Ansehen mehr. Das aus Getreide gewonnene Ethanol treibt zwar mittlerweile Hunderttausende Autos an, aber seine Klimabilanz fällt negativ aus. Um beispielsweise 4000 Liter Ethanol produzieren zu können, werden 8000 Liter Süßwasser und ein Hektar Maisacker benötigt. Dadurch gehen Trinkwasser und wertvolles Ackerland für den Nahrungsmittelanbau verloren. Algen hingegen benötigen nur Sonne, Salzwasser, Dünger und Kohlendioxid. Deshalb sollen sie als Öko-Treibstoff der Zukunft dienen. Biotechniker haben bereits Züchtungen entwickelt, die Ethanol, Rohöl oder Dieselkraftstoff produzieren können. Japan steigt nun industriell in die Produktion von Bio-Treibstoffen auf Algenbasis ein. In einem umfangreichen Testzentrum im Westen Japans sollen Algen zukünftig in Massenproduktion kultiviert werden. Dabei soll Pseudochoricystis ellipsoidea eine wichtige Rolle spielen, eine Alge, die bei der Fotosynthese ein Öl herstellt, das leichtem Mineralöl ähnelt.